Kajak, Floß und Badeschiff

Geschichte des Hafens in der Kuchelau

Recherchiert und geschrieben von Michael Matousch. (2023)

Kuchelau, benannt nach den seinerzeit in der Au bestandenen Kuchelgärten (Küchengärten).

Der Hafen wurde später in zwei Etappen in das heutige Stadtgebiet von Wien aufgenommen; 1892 nur der südliche Teil, 1938 auch der nördliche Teil, als Klosterneuburg von der NS-Dik­ta­tur an Groß-Wien angeschlossen wurde. Als Groß-Wien 1954 aufgelöst wurde, verblieb aber der nördliche Teil der Kuchelau in Wien.

Der Kuchelauer Hafen wurde fast von Beginn an nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sportlich genutzt.

Den Döblinger Gemeinden an der Donau, Nussdorf und dem Kahlenbergerdorf, brachte der Fluss sowohl Zerstörung als auch Wohlstand. Auf der einen Seite wurden die Dörfer regel­mäßig über­schwemmt, andererseits war Nussdorf ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aller Art. Die großen Schiffe wurden hier ausgeladen und die Güter wurden auf kleinere Boote, Flöße oder Fuhrwerke verladen. Das war notwendig, weil die großen Lastschiffe zu sperrig für die engen Kanäle der noch unregulierten Donau im Wiener Raum waren.

Nach der Donauregulierung (1870-1875) entstanden am rechten Donauufer zwischen Nußdorf und der Donaukanaleinmündung zahlreiche Handelsniederlassungen, Speicher und Umschlagsein­rich­tungen.

Da die Mündung zum neuen Kanal zunächst offen war, wurde zum Schutz vor Eisstoß und Über­schwemm­ung der am Donau­kanal gelegenen Stadtteile, ein Sperrschiff kon­struiert, welches am 13. Dezember 1873 in Betrieb genommen wurde. Es lag am linken Kanalufer an und wurde bei Hoch­wasser oder Eisgang quer über den Kanal geschwenkt und abgesenkt. Um eine Vereisung zu verhin­dern, befand sich ein Kohle-betriebener Heizofen darauf.

Quelle: WienMuseum online [https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/17861/

1875-Sperrschiff
Quelle: WienMuseum online [https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/17861/]
1899-Nadelwehr Schleuse Nußdorf 
Quelle: Albert Milde, "Das Nadelwehr", (1894-1898 Donaukanalregulierung)
{Archivbild 7: Das Wehr in Nußdorf während des Hochwassers 1899}

Das Sperrwerk (Schleuse und Wehr) wurde 1894 bis 1898 nach Plänen von Otto Wagner er­richtet, das Sperrschiff am 11. November 1902 außer Betrieb genommen. Eine eingebaute Kammerschleuse ermöglichte es, die aus dem Hauptstrom kommenden Schiffe auf das Donaukanalniveau zu senken und umgekehrt.

Quelle: Albert Milde, “Das Nadelwehr”, (1894-1898 Donaukanalregulierung) Archivbild 7: Das Wehr in Nußdorf während des Hochwassers 1899 

Um den, auf das Schleusen wartenden Schiffen einen strömungsfreien Hafen zu bieten, wurde dann in den Jahren 1901 bis 1903 das Hafenbecken errichtet.

Quelle: Wikipedia – lizenzfrei / Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts – Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung (1. Band), herausgegeben vom Österreichischen Architekten-Verein, Verlag von Gerlach & Wiedling, Wien, 1904

1902-Blick in den Kuchelauer Hafen 
Wikipedia - lizenzfrei 
Quelle: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts – Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung (1. Band), herausgegeben vom Österreichischen Architekten-Verein, Verlag von Gerlach & Wiedling, Wien, 1904

Da die Notwendigkeit für die Handelsschifffahrt mit der Zeit geringer wurde, weil ja der Güter­umschlagplatz nunmehr am Donau-Strom lag (Handelskai), wurde das Hafenbecken seit 1922 ausschließlich zum Sportboot- und Jachthafen umgewidmet.

Ein wesentlicher Beitrag zu Erholungswert und sportlicher Nutzbarkeit ist das seit den 1950er Jahren bestehende Fahrverbot für motorisierte Wasserfahrzeuge, welches anlässlich eines tödlichen Unfalls verhängt worden war (von diesem Fahrverbot sind/waren – mit Beschränkungen und in streng geregelter Weise – ausgenommen die schon immer ansässige Bootswerft im hinteren Teil des Hafens und die Pionierkaserne (beide sind als solche nicht mehr in Betrieb).

Ans Wasser, ins Grüne

Das Ufergebiet rund um den Kuchelauer Hafen war bis ins 20. Jahrhundert recht dünn besie­delt. Das änderte sich mit der aufkeimenden Schrebergartenbewegung. Viele Wiener richte­ten es sich am Donauufer schön gemütlich ein, um ihre Wochenenden hier zu verbringen.

Vielleicht ebenso wichtig war das Gebiet rund um den Hafen aber auch für die aufkeimenden Sport- und Freizeitbedürf­nisse der Wiener. Ein erstes Badeschiff hatte bereits 1898 eröffnet. Es war eine zwölf Meter lange Hütte auf Schwimmkörpern, die statt eines Bodens einen Korb hatte, der ins Wasser reichte. Darin konnte man schwimmen lernen. Zunächst wurde noch nach Geschlechtern getrennt, doch bald durften alle gemein­sam ins Wasser. Das Boot wurde erweitert und fasste bis zu 3.000 Badende am Tag.

Quelle: Bezirksmuseum Döbling

1898-Badeschiff
Bezirksmuseum Döbling
1924-Klubhaus Wr. Kajakklub
Bezirksmuseum Döbling

In diese Zeit fällt auch die Gründung zahlreicher Sportvereine, die noch heute existieren und so auf eine stolze Tradition zurückblicken können. Der 1900 gegründete Wiener Ruderverein Austria hatte ab 1905 seinen Sitz in der Hafenstrasse 4 – das ist auch heute noch so.
1908 errichtet der Ruderverein Union sein Klubhaus in der Hafenstraße 6. Dieses wird im Jahre 1912 von den Piraten übernommen und sollte von 1934 – 38 den Bergfreunden gehören. Nach dem Krieg wird es den Naturfreunden zugesprochen.
1924 baut der Erste Wiener Kajakklub sein Vereinshaus in der Kuchelauer Hafen­strasse 73; heute nennt er sich Wiener Paddelsport-Klub.

Quelle: Bezirksmuseum Döbling

Das Vereinshaus des WAT.XIX

1925 errichtete der Ruderverein Goten sein Klubhaus in der Hafenstraße 71. Nachdem dieser mit dem Ruderklub Normannen fusionierte, wird das Gebäude aufgegeben. 1930 konnte es von dem Wiener Arbeiterturnverein erworben und im Anschluss umgebaut werden; am 15. Juni 1930 fand die feierliche Eröffnung statt.

Quelle: Eigene Aufnahme


Folgender Zeitungsartikel zeugt von dem Ereignis:

Ein Festtag der Arbeiterpaddler / Eröffnung des Bootshauses der Arbeiterturner

Wie bereits mitgeteilt, hat der Wiener Arbeiterturnverein in der Kuchelau ein prächtiges Bootshaus erworben. Dank der freiwilligen Arbeit der Mitglieder konnte das Haus, das nur für Riemenboote eingerichtet war, umgebaut werden. Es ist nun möglich, in der Bootshalle mehr als hundert Paddel­boote unterzubringen. Der große Gesellschaftsraum wurde in ein gemütliches Heim umge­wandelt, die Schlaf-, Umkleide- und Baderäume restauriert. Das Haus ist nicht nur als Heim für die Wiener Turnerpaddler gedacht, sondern auch als Stützpunkt für die vielen Wasserwanderer der Bruder­organi­sation in Deutschland. Die feierliche Eröffnung des Hauses, bei der Bürgermeister Seitz und Stadtrat Professor Dr. Tandler anwesend sein werden, findet heute um 15:00 Uhr nachmittags statt. Anschließend findet eine Ausfahrt der Paddler statt.

1934 erfolgt die Enteignung durch das Austrofaschistische Regime. Bis 1938 erlebte es die Nutzung als Verbandsbootshaus des Österreichischen Kajakverbandes. Anschließend wird es von der Reichsbahnsportvereinigung und dem Paddelklub Forelle genutzt und nach 1945 erfolgte schrittweise die Restituierung.

Während des zweiten Weltkrieges erfahren auch die Gebäude am Donaustrom erhebliche Schäden und Zerstörungen durch Bombentreffer, Vandalismus und Brandstiftung.
Nach der Auflösung von Groß-Wien 1954 erfolgt die Grenzziehung neu – die Kuchelau gehört von nun an in ganzer Länge des Hafenbeckens zum Wiener Stadtgebiet. Demzufolge ist der Magistrat bzw. das Sportamt der Stadt Wien bemüht, die Eigentumsverhältnisse wieder herzustellen. So wird dem Wiener Arbeiter­turnverein das Grundstück in der Hafenstrasse 71 zurückgegeben.

Das zerstörte Vereinshaus sollte mit Baugenehmigung (MA37/XIX-1790/49) vom 7. Juni 1950 auf den bestehenden Funda­menten in der Größe von 5 x 10,2 Meter neu aufgebaut werden. Der Einreichplan sieht eine gedeckte Stiege an der Außenseite des Gebäudes in das Obergeschoß vor. Darunter waren 2 WCs vorgesehen.
Tatsächlich wurde ein Holzhaus mit den Außenmassen von 6 x 8 Metern inkl. eines straßenseitigen Balkons errichtet; die Stiege in das Obergeschoß befindet sich innen. Das Bootshaus misst 3,25 Meter auf der Gesamtlänge von 8 Metern, der Umkleideraum hat dagegen nur eine Breite von 2,45 Metern. Im Obergeschoß befindet sich allerdings eine weitere Umkleide sowie eine „Kammer“.

1961 wird mit Bescheid der MA37 (MA37/XIX-1/61) der Zubau eines Geräteraumes (4 x 4 Meter) samt Dachterrasse genehmigt. Die Sickergrube bleibt weiterhin unverbaut und von außen (zwecks Entleerung) zugänglich.

Dies ändert sich auch 1988 nicht, als die Sickergrube durch eine flüssigkeitsdichte Senkgrube ersetzt wird. Erst im Jahre 2000 erfolgt der Anschluss an das städtische Abwassersystem; der Purator bleibt im Boden.

1999 ist es dann endlich so weit: nach 7-jährigem Antragsverfahren darf der Verein ein Badefloss mit den Maßen von 7,5 x 3 Meter (auf 14 Fässern) am Ufer vor ON 34 verheften. Diese wasserbauliche Bewilligung (MA45-A/gr-163/99) beschränkt sich auf die Monate April bis Oktober; im Winter muss das Floß aus dem Wasser genommen werden, was insbesondere auf Grund seines Eigengewichts von 1.100 kg für die 3-teilige Stahlkonstruktion eine Gemeinschaftsanstrengung erfordert.

Im Jahre 2003 erfolgt ein weiterer wichtiger Schritt zur Attraktivierung des Sportplatzes; der Sand­platz für das Beach-Volleyball-Spiel wird unter tatkräftiger Mitwirkung aller Vereinsmitglieder errichtet.

Ein Jahr später wird das Vereinshaus umgebaut: der Aufenthaltsraum im EG wird auf Kosten des „Bootsraumes“ vergrößert; die elektrische Anlage wird zur Gänze erneuert.

2007 erfolgt der nächste Meilenstein: die Duschen werden am freien Platz unterhalb der Veranda errichtet, darüber eine Solaranlage zur Aufbereitung des benötigten Warmwassers.

In den Folgejahren werden nur mehr Adaptierungsarbeiten getätigt, die sowohl den gesunkenen Gästezahlen als auch den modernen Ansprüchen Rechnung tragen. Hervorzuheben ist der Austausch der defekten Grundwasserpumpe (2018) sowie die Modernisierung des Badefloßes durch eine zeitgemäße modulare Schwimminsel (2019). Die Erneuerung des Grenzzaunes zum Nachbargrundstück (ON 73) wurde von der MA51 angeordnet und im Jahre 2021 durchgeführt – und bezahlt.